Fritz Valentin war vieles: Jude nach der Herkunft und Christ aus tiefer Überzeugung, deutscher Patriot und aus seiner Heimat verjagter Flüchtling, gewissenhafter und leidenschaftlicher Richter. In seinem bewegten Leben spiegelt sich die unruhige Geschichte des 20. Jahrhunderts: Mit 16 Jahren zog er als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg und verbrachte mehr als vier Jahre an der Front. Berufseinstieg und Familiengründung fielen in die Zeit der schwersten Inflationskrise. Der Sieg der Nationalsozialisten und ein Protest gegen ihren Antisemitismus warfen Valentin jäh aus der Bahn. Fast in letzter Minute floh er mit seiner Familie im August 1939 nach England und kehrte als einer der Ersten im Februar 1946 nach Hamburg zurück, um beim Wiederaufbau einer gerechten, humanen Ordnung zu helfen. Als Richter bekam er es mit allen Problemen der Nachkriegszeit zu tun: Er urteilte über große NS-Verbrecher und kleine Gelegenheitstäter, er führte von 1957 bis 1960 den bis dahin längsten Wirtschaftsprozess, und er machte durch seine klare Ablehnung der Strafverfolgung von Homosexuellen in seinem „Drei-Marks-Urteil“ von 1951 Geschichte. Valentin dachte, auch öffentlich, viel darüber nach, wie er als Christ sein Amt zu führen habe, und im Ruhestand widmete er sich mit aller Kraft der Hilfe für Strafgefangene. Hohe Auszeichnungen für den einst Verfemten waren der Lohn.

Ursula Büttner war bis 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Professorin an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Sie hat zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen und hamburgischen Geschichte im 20. Jahrhundert, insbesondere auch zu Judenverfolgung, Exil, Remigration und politischem Wiederaufbau nach 1945, vorgelegt und wurde 1995 mit dem Hamburger Max-Brauer-Preis ausgezeichnet.